Barbara-Schadeberg-Vorlesungen

Barbara-Schadeberg-Vorlesungen
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Die Barbara-Schadeberg-Vorlesungen wurden zuerst im Jahr 2001 an der Universität Tübingen zum Thema „Zukunftsfähige Schule“ und danach im Abstand von zwei bzw. drei Jahren an unterschiedlichen Universitäten mit wechselnden Themen durchgeführt:

  • Universität Wien 2002: „Kirche – Bildung – Demokratie“
  • Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2004: „Schule und Diakonie“
  • Humboldt-Universität Berlin 2007: „Religious literacy und evangelische Schulen“
  • Universität Hildesheim 2010: „Aufwachsen in Würde. Impulse für das protestantische Bildungsverständnis“
  • Universität Erfurt 2013 „Evangelisch Profil zeigen im religiösen Wandel unserer Zeit. Impulse für das protestantische Bildungsverständnis“
  • Universität Bamberg 2016: „Evangelische Schulen und religiöse Bildung in der Weltgesellschaft“
  • Universität Münster 24. + 25. Oktober 2019 „Pluralitätsfähigkeit evangelischer Schulen“

Die Vorlesungen werden regelmäßig in der Reihe „Schule in evangelischer Trägerschaft“ im Waxmann Verlag Münster veröffentlicht.

Sie richten sich an eine breitere Öffentlichkeit in Pädagogik, Theologie und Schulpraxis. Ihr Ziel ist die wissenschaftlich fundierte Grundlegung religiöser Bildung.

Im Bild (oben): Prof. Dr. Christina Hoegen-Rohls

Barbara-Schadeberg Vorlesungen

10.-11.11.2022 in Rostock

Die 9. Barbara-Schadeberg-Vorlesungen an der Universität Rostock mit dem Thema „Religion und Digitalität – Evangelische Schulen im digitalen Wandel“ wurden eröffnet durch die Grußworte des Rostocker Universitätsrektors Prof. Dr. Wolfgang Schareck, der Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, dem Vorstandsvorsitzenden der Barbara-Schadeberg-Stiftung Prof. Dr. Martin Schreiner und der Rostocker Religionspädagogin Prof. Dr. Martina Kumlehn.

Prof Dr Wolfgang Schareck Universitaetsrektor
Prof. Dr. Wolfgang Schareck
Landesbischoefin Kristina Kuehnbaum-Schmidt
Kristina Kühnbaum-Schmidt
Prof Dr Martin Schreiner Vorstandsvorsitzender BSS
Prof. Dr. Martin Schreiner
Prof Dr Martina Kumlehn Religionspaedagogin
Prof. Dr. Martina Kumlehn
GRUSSWORTE ZUR ERÖFFNUNG DER BARBARA-SCHADEBERG-VORLESUNGEN

Der Rektor führte das Auditorium in die Geschichte seiner 1419 gegründeten Universität ein, erinnerte unter anderem an den Reformator David Chytraeus und erläuterte das Siegel der „Leuchte des Nordens“ mit den Inhalten „Traditio et Innovatio“ – Bewahrung und Erneuerung – sowie der lateinischen Inschrift „Scrutamini scripturas et discite a me, quod mitis sum et humilis corde“ – „Suchet in der Schrift (Joh 5,39) und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig (Mt 11, 29)“. Zu sehen ist in der Mitte Christus, der einem Scholaren die Bibel überreicht. Prof. Schareck erwähnt zudem die Inschrift über dem Eingangsportal „Doctrina multiplex, veritas una“ – „Viele Lehrmeinungen, aber nur eine Wahrheit“. Mit seinem Abschlussplädoyer, in Wahrhaftigkeit zu lehren und zu lernen, gibt er gleichsam einen trefflichen roten Faden der gesamten Vorlesungen vor.

 

Die Landesbischöfin ist ganz inspiriert von dem Motto der Barbara-Schadeberg-Stiftung „Wir fördern und beflügeln – aus gutem Grund“. Auch sie nimmt Bezug zu „Traditio et Innovatio“ und betont, dass zur protestantischen Kirche immer der Wandel dazugehörte. Wandel bedeute aber nicht nur digitaler Wandel, sondern auch Wandel der medialen Kultur. Bildung sei den Wandel zu gestalten. Sie erinnert an Johannes Bugenhagen, den Reformator des Nordens, und sein Engagement unter anderem für die Mädchenbildung. Religiöse Bildung sei stets die Förderung des Diskurses im öffentlichen Raum. Ausgehend vom Stiftungsmotto „Keiner für sich allein“ (1. Thess 5,11) deutet sie den Menschen als Beziehungswesen und bezieht sich auf Johann Amos Comenius Aussage „Schulen sind Werkstätten der Menschlichkeit“. Ethische Werte gehörten zu globalem Lernen dazu und Kinder hätten ein Recht auf Religion. Evangelische Schulen könnten in diesem Sinne auch kulturelle Anziehungspunkte sein. Abschließend plädiert auch sie für Wahrhaftigkeit.

 

Martin Schreiner heißt im Namen der Stiftungsgremien die Zuhörenden herzlich willkommen, gibt einen kurzen Überblick über die Entstehungsgeschichte, Ziele und Förderschwerpunkte der Stiftung und bedankt sich sehr bei seiner Rostocker Kollegin Prof. Dr. Martina Kumlehn und ihrem perfekten Team für die Gastfreundschaft in Rostock. Diese freut sich über die Ausrichtung der BS-VL 2022, erinnert an den vor 15 Jahren von der EKD-Schulstiftung geplanten Studiengang für Nachwuchskräfte an evangelischen Schulen und weist auf das Wahlmodul „Evangelische Schulen“ als besondere Schwerpunktsetzung im Magisterstudiengang an der Universität Rostock hin. Sie ist überzeugt, dass evangelische Schulen andere Akzente für weitreichende Transformationsprozesse setzen könnten.

Das Thema der Vorlesungen „Religion und Digitalität – Evangelische Schulen im digitalen Wandel“ wurde in vier Vorträgen von Prof. Dr. Andreas Spengler, Prof. Dr. Martina Kumlehn, Prof. Dr. Roland Rosenstock und Simon Luthe entfaltet.

Prof Dr Andreas Spengler - Barbara-Schadeberg-Vorlesung
Prof. Dr. Andreas Spengler
Prof Dr Martina Kumlehn Religionspaedagogin - Barbara-Schadeberg-Vorlesungen
Prof. Dr. Martina Kumlehn
Prof. Dr. Roland Rosenstock
Simon Luthe - Barbara-Schadeberg-Vorlesungen
Simon Luthe
VORTRÄGE

Im ersten Vortrag von Prof. Dr. Andreas Spengler von der Universität Rostock mit dem Titel „Medienpädagogische Herausforderungen der Digitalität“ plädiert dieser für die Förderung einer kulturell-ästhetischen Bildung, für ein Denken in Praktiken und eine Schulung der Wahrnehmung. Er sieht die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit Digitalisierung als Diskursphänomen, beobachtet Prozesse der Massenkultivierung und tritt dafür ein, insbesondere die Inhaltsseite von Medien sowie das aktive Erfahren und gemeinsame Gestalten von (Lebens-)Welt zu beachten. In der Diskussion geht es um das Verhältnis von Technik und Praxis, um den Begriff des „Unbestimmten“ und um „Lebenskunst 2.0.“, um die Kompetenz des Alleinseins in einer Gesellschaft der Singularitäten und um das ambivalente Lebenskunstkonzept, das Erfahrungen von Scheitern und Ohnmacht einschließen sollte.

 

Im zweiten Vortrag von Prof. Dr. Martina Kumlehn von der Universität Rostock mit dem Titel „(Religiöse) Bildung und Profilentwicklung an evangelischen Schulen in einer Kultur der Digitalität“ weist diese auf komplexe wechselseitige Verflechtungen von religiöser und digitaler Kultur auf unterschiedlichen Ebenen hin. Ausgehend von drei Impulsen aus der Initiative der Nordkirche „mein-reli.de“ entfaltet sie eine Ausdifferenzierung und wechselseitige Erhellung in Form folgender Gegensatzpaare: 1. Paradies und Apokalypse: Religionsaffine Strukturen des Internets und Herausforderungen für die christliche Rede von Gott. 2. Suchen und Berühren: Religionshermeneutische Erkundungen im Internet und deren Impulse für religiöse Bildung. 3. Religiöse Singularitäten und neue Vergemeinschaftungsformen: Religiöse Kommunikation im Internet und Fragen der Profilentwicklung. In der Erschließung dieser Zugänge denkt sie verschiedene strukturelle Grundspannungen implizit mit bzw. ruft sie diese explizit auf, die je nach Positionierung wichtige Aspekte in der Profilierung evangelischer Schulen darstellen: Freiheitsgewinne versus Freiheitsverluste; Menschenwürde versus Entwürdigungsmechanismen; Grenzbewusstsein versus Entgrenzungserfahrungen sowie Pluralität versus Vereindeutigung der Welt. Abschließend plädiert sie mit Nachdruck für die Arbeit am Wahrheitsbewusstsein, das zwischen Fakt, Fake und Fiction unterscheiden muss, und setzt auf die Kraft der Imagination.

In der Diskussion geht es um den Religionsbegriff, Kritik an mangelnder Selbstdistanz, das Verhältnis von Diskurs und Praxis, Offenheit des digitalen Raums, passagere Kommunikation, Unsichtbarkeit als Tod im Netz, Suchen und Gefundenwerden, Authentizität und Inszenierung, Subjektsein und aufklärerisches Element.

 

Im dritten Vortrag von Prof. Dr. Roland Rosenstock von der Universität Greifswald mit dem Titel „Medienethische Perspektiven der Digitalität“ wird die These vertreten, dass es bei der Medienethik nicht allein um eine kritische Reflexion der eigenen Mediennutzung geht, als eine weitere digitale Kompetenz, sondern um die Frage nach dem gelingenden Leben: „Wie wollen wir in einer digitalen Lebenswelt leben?“. Der Vortragende gibt einen Einblick in die gegenwärtige medienethische Diskussion: Im Blick auf die Herausforderungen Evangelischer Schulen verweist er auf den Ansatz einer Kindermedienethik bei der Tübinger Philosophin Ingrid Stapf, die sich mit dem Recht von Kindern auf Medien und partizipatives Medienhandeln befasst. In der normativen Vermittlung von „10 Geboten der Digitalen Ethik“ bestehe eine zu große Differenz zur Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Im Rahmen der theologischen Begründung einer Ethik der Social Media knüpft Rosenstock an den Berliner Theologen Florian Höhne an, der die Visionen von guten Leben aus einer eschatologischen Grundlegung gewinnt.

Im Anschluss an die Frage, welche Aufgabe der schulischen Bildung in einer gestuften Verantwortungsethik zufällt, schlägt Rosenstock – am Beispiel des Orientierungsrahmen der Evangelischen Schulen der Landeskirche Sachsen – vor, die Handlungsfelder der „Heterogenität und Persönlichkeitsbildung“, „religiösen Kompetenz“, „Schulentwicklung“ und „Gelebte Diakonie“ um die medienethischen Perspektiven der Digitalität zu erweitern.

In der Diskussion geht es um den Begriff „Management“, Bildung als Handlungsfähigkeit, Ästhetik und Ethik, Evangelisches Profil und Reformpädagogik, Visionen des guten Lebens sowie um den Sinn für das Mögliche und Unfertige.

 

Im vierten Vortrag von Simon Luthe von der Universität Würzburg mit dem Titel „Interreligiöse Segensräume in Virtual und Artificial Reality Installationen. Ein Experiment auch für evangelische Schulen“ stellt der Vortragende mit anschaulichen Prototyp-Beispielen Religionserschließung durch Religionsproduktivität vor. Segen sei eine anthropologische Konstante jenseits der Religionen und deshalb gut geeignet für interreligiöse Bildungsprozesse. In der Diskussion geht es um Segensbilder von Schülerinnen und Schülern, den passiven Bildungsbegriff bei Meister Eckhart, religiöse Praxis, konfliktreichen Segen, Input des Algorithmus, Maschine Learning und Unverfügbarkeit.

 

Barbara-Schadeberg-Vorlesungen 2019 in Münster

Rückblick auf die 7. Barbara-Schadeberg-Vorlesungen 2016 in Bamberg

von Prof. Dr. Martin Schreiner, Stiftungsuniversität Hildesheim (Auszug)

Barbara Schadeberg Vorlesung 2016

… Natürlich ist es immer eine große Herausforderung für die Programmverantwortlichen, möglichst vielfältige Facetten des Tagungsthemas anklingen zu lassen und dabei eine gelingende Balance zwischen Theoriebeiträgen und Raum für Rückfragen und Beiträge der Teilnehmenden zu finden. Berücksichtigt man in dem Tagungsecho aber die mannigfaltigen Gelegenheiten zum Gespräch und Austausch bei Kaffee und Kuchen, bei dem literarischen Abendspaziergang, beim Abendessen und nach der Festveranstaltung auf dem Michaelsberg oder auf dem Weg zur oder von der anregenden Morgenandacht in der Stephanskirche, so können wir auf eine sehr gelungene Mischung aus anspruchsvoller Theorie und lebendigem Praxisaustausch zurückblicken!

Evangelische Schulen und religiöse Bildung in der Weltgesellschaft. Es geht also in den 7. Barbara-Schadeberg-Vorlesungen um evangelische Schulen, um religiöse Bildung und um die Weltgesellschaft. Erstmals sollte hier in Bamberg die Frage nach der Identität und dem Profil evangelischer Schulen in dezidiert globaler Perspektive diskutiert werden – und zwar im Bewusstsein, „dass sich die raumgreifende Globalisierung von Religion in der Gegenwart längst und mit steigender Wahrnehmbarkeit auch in deutschen Klassenzimmern bemerkbar macht.“ (Einladungstext). Wie können evangelische Schulen auf die „Eine Welt“ Bezug nehmen? Wie können sie sicher sein, mit den anderen 400 Millionen evangelischen Christinnen und Christen verantwortungsvoll die „Eine Welt“ mitzugestalten? Wie können Globalisierung als Lernanlass genutzt und der globale Blick als eine Art Leitperspektive berücksichtigt werden in der Gestaltung, Planung und Durchführung von Schule und Unterricht? Wie kann religiöse Bildung an evangelischen Schulen im Spannungsfeld von Regionalität und Universalität Lernende dabei unterstützen, ein eigenes Gleichgewicht im Verhältnis zur Welt als Ganzer zu finden?

In seinem Grußwort betonte Universitätspräsident Godehard Ruppert das großartige Engagement der Stifterin, das keineswegs selbstverständlich sei. Freie Schulen hätten immer ein Stück Spielraum zwischen Chance und Risiko. Besonders zu begrüßen sei unter anderem auch die wissenschaftliche Begleitung der Schulen, in denen die Zukunft unserer Kinder entschieden werde.

In ihren eröffnenden Worten knüpften Anette Scheunpflug und Henrik Simojoki an die Dissertation von Ruppert „Geschichte ist Gegenwart. Ein Beitrag zu einer fachdidaktischen Theorie der Kirchengeschichte“ an, in der er bereits 1984 Unrecht und Gewalt in globalen Interaktionszusammenhängen anprangerte. Sie fragten sodann, was sich eigentlich verändere, wenn wir den Blick verändern auf „Global Age“. Sie drückten ihre Freude aus, dass sie gemeinsam wissenschaftlich diesen Fragen nachgehen können.

OKR Detlev Bierbaum hob hervor, dass sein Herz für die evangelischen Schulen schlagen würde. Er verdeutlichte an der Beispielerzählung vom barmherzigen Samariter den Begriff der Nächstenliebe im Spannungsfeld von Eigenem und Fremden. Es gehe um die Frage nach der Identität und dem Profil evangelischer Schulen in globaler Perspektive. Freilich gäbe es das Evangelische per se nicht. Identität bilde sich immer nur in Auseinandersetzung mit dem Anderen. Deshalb müsse das Profil evangelischer Schulen immer wieder neu bestimmt und Angebote zur Aneignung von Pluralitätsfähigkeit gemacht werden.

Die Stifterin Barbara Lambrecht-Schadeberg erläuterte kurz die Gründungsgeschichte der Barbara-Schadeberg-Stiftung. Als sogenannte „Kanzelschwalbe“ habe der christliche Glaube immer eine tragende Rolle in ihrem Leben gespielt. Sie trug der Gedanke, was sie tun könne, um die Gute Nachricht unter die Menschen zu bringen. Sie wollte evangelische Lebenshaltung und die Botschaft von Jesus Christus an einem anderen Ort als nur in der Kirche in Berührung kommen lassen. Kirchen sollten sich nach ihrer Meinung mehr mit Schulen befassen. Bis heute hat die Barbara-Schadeberg-Stiftung über 120 evangelische Schulen beraten und begleiten sowie Lehrerfortbildung unterstützen können. Die Stiftung werde ihr Engagement für evangelische Schulen auch künftig fortsetzen und weiterhin Ermöglichungsräume bieten.

In ihrem Vortrag „Afrika, Europa und die Zukunft des Christentums“ warfen Andreas Nehring und William Ondieki Obaga eindrucksvolle religionswissenschaftliche und theologische Schlaglichter auf den globalen Religionswandel.

Prof. Nehring erinnerte neben der zeitlichen Dimension von Theologie und Kirche auch an die räumliche Dimension der globalen Vielgestaltigkeit der christlichen Religion, der World Christianity. Er stellte die Aussage im ÖRK-Missionspapier von Busan aus dem Jahre 2013 heraus, dass es eine Verlagerung von der „Mission hin zu den Rändern“ zur „Mission von den Rändern her“ gibt, und verwies auf die demographische Untersuchung „The next Christendom“ des Historikers Philip Jenkins, nach der es zu einer enormen Verschiebung des Christentums in den Süden kommt, das heißt konkret nach Afrika und Lateinamerika. „Christianity moves South“! Zurecht fragte er an, ob angesichts der rasanten Ausdifferenzierung von Christentümern, angesichts der Ausbildung von spezifischen kontextuellen Theologien in weiten Teilen des südlichen Christentums und angesichts einer Pluralisierung von methodischen Zugriffen auf theologische Themen ökumenische Einheit als Symbol des Reiches Gottes und als eschatologische Hoffnung sich nicht inzwischen in eine theologisch zwar legitimierte, jedoch in konkreten Vollzügen gar nicht mehr erstrebenswerte Vision aufgelöst hat. Als wesentliches Moment der Ökumene hielt er die Begegnung mit „dem Anderen“ fest, sei es in interkulturellen, interkonfessionellen oder interreligiösen Begegnungen.

Dr. Obaga drückte seine Freude aus, die Perspektiven aus dem Vortrag von Prof. Nehring konkretisieren zu dürfen. Die ganze Welt sei eine Welt von kleinen Nachbarschaften geworden. Er erinnerte an die christlichen Kirchenväter Nordafrikas, die dann Europa beeinflusst haben. 1844 gab es in Tansania keinen einzigen Christen, heute seien 85% der Bevölkerung christlich. Er sprach auch über die Rolle der Missionare seit Ende des 19. Jahrhunderts, die ganz unterschiedliche „Christentümer“ mitgebracht hätten samt innereuropäischer Konflikte. Schließlich machte er nachdrücklich klar, dass es das Afrika nicht gibt. Aktuell gäbe es eine Mischung aus afrikanischem und europäischen Christentum.

Annette Scheunpflug und Henrik Simojoki stellten in ihrem Vortrag „Evangelische Schulen in der Einen Welt“ wichtige erziehungswissenschaftliche und religionspädagogische Perspektiven und Konkretisierungen vor. Sie nahmen dabei überwiegend Bezug auf das Projekt „schools500reformation“. Prof. Scheunpflug und Prof. Simojoki begründeten zum einen, warum es wichtig ist, evangelische Schulbildung in einem globalen Bezugshorizont zu reflektieren und auch konkret anzulegen, und zeigten anhand einer Aktion des Projektes „schools500reformation“ exemplarisch auf, wie eine solche Horizonterweiterung und Perspektivenverschränkung vonstattengehen kann, einschließlich der damit verbundenen Herausforderungen. Sie fokussierten Schulen allgemein als Teil der Weltgesellschaft und bezeichneten letztere als Lernherausforderung – insbesondere hinsichtlich Sprache, Kontextualisierung und Übersetzung sowie Selbstzuordnungsunterstützung. Gemeinsam plädierten sie nachdrücklich dafür, in Prozessen religiöser Bildung und christlich fundierter Schulentwicklung der globalen Bildungsdimension stärkeres Gewicht zu geben, und erinnerten an die dem christlichen Glauben inhärente Globalität, die derzeit in ganz unterschiedlichen theologischen Denkprojekten bearbeitet werden: Kontextuelle Theologien, öffentliche Theologien, interkulturelle Theologien oder Theologien der Kultur sowie das Projekt einer postkolonialen Theologie.

 Im Rahmen der „schools500reformation“ Aktion „Erhebe deine Stimme und formuliere Thesen für eine bessere Zukunft“ wurden Protestbekundungen einer sechsten Klasse der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck und der Mabenga-Grundschule aus Goma in der Demokratischen Republik Kongo näher vorgestellt und für „touching realities“ geworben.

Manfred Pirner thematisierte im dritten Hauptvortrag „Öffentliche Religionspädagogik im globalen Horizont“. Er ging von der These aus, dass sich aus der Diskussion um das öffentliche Gemeinwohl in pluralistischen Gesellschaften wichtige Impulse für die Religionspädagogik gewinnen lassen. Das in den 1970er Jahren entstandene Konzept der Öffentlichen Theologie verortet sich bewusst im Kontext einer pluralistischen Gesellschaft, indem es die Partikularität von Christentum, Theologie und Kirche sowie deren Angewiesenheit auf den Dialog mit anderen bewusst bejaht. Auf dieser Basis will es seine eigenen spezifischen Beiträge zum Gemeinwohl aus dem Schatz der christlichen Tradition und Kommunikationsgemeinschaft einbringen. Prof. Pirner wies darauf hin, dass unter anderem die zunehmend drängendere Frage nach interreligiöser Verständigung und den tragfähigen Grundlagen von immer pluralistischer werdenden Gesellschaften die öffentliche und politische Dimension von Religion und Religionsunterricht stärker auch ins theologische und religionspädagogische Bewusstsein rücken ließen. Als Grundprinzipien der Öffentlichkeit markierte er Gleichheit, Freiheit, Rationalität und Universalität. Von entscheidender Bedeutung für eine öffentliche Religionspädagogik sei es, sich klar zu machen, dass es Öffentlichkeit heutzutage nur im Plural gäbe und dass diese Öffentlichkeiten in charakteristischen Mischungen von regionalen, nationalen und international-globalen Öffentlichkeiten wirksam seien. In Aufnahme von Pirners Gedanken liegt es nahe, evangelische Schulen als Raum der Einübung von öffentlichem religiös-weltanschaulichem Diskurs zu verstehen. In diesem Sinne entspräche dem Öffentlichkeitsbezug eine Praxis, die auf Sprach-, Verständigungs- und Reflexionsfähigkeit, also auf Öffentlichkeits- und Dialogfähigkeit zielt. Äußerst anregend sind seine 5 Konsequenzen für Selbstverständnis und Aufgaben von evangelischen Schulen!

Dr. Uta Hallwirth beleuchtete die Ergebnisse des Barbara-Schadeberg-Wettbewerbs 2016 und gab unter dem Titel „Global denken – lokal handeln“ Anregungen aus der und für die Praxis evangelischer Schulen. Es war zweifellos eine große Herausforderung für die Schulen, sich innerhalb der Trias Gesamtkonzept einer Evangelischen Schule – Globalisierung/Eine Welt – Konkretionen globalen Lernens zu positionieren. Hallwirth hebt unter anderem hervor, dass der Beitrag aus dem Laurentius-Gymnasium Neuendettelsau in schlüssiger Darstellung ein klares Gesamtkonzept/einen klaren roten Faden mit sehr reflektierten Konkretionen protestantischen Lebens und Lernens im Horizont der Globalisierung erkennen lässt. Der Beitrag des Gymnasiums Unterstrass Zürich profiliert das sehr interessante innovative Projekt eines zukünftigen neuen gymnasialen Bildungsgangs mathematisch-naturwissenschaftlicher Richtung mit dem Fokus auf globalen und gesellschaftlichen Fragen namens „Magna“ (mathematisch – global – naturwissenschaftlich). Der Beitrag des Christlichen Gymnasiums Jena kombiniert die Erfahrungen aus dem eigenen Unterrichtsfach Globales Lernen mit denen aus einem eindrucksvollen Chile-Projekt, in dem Schülerinnen und Schüler aus Jena in Chile in Schulen gehen und zudem dort in diversen sozialen Projekten arbeiten. Sie verdienen sich die Reisekosten durch eigenen Fundraisingeinsatz. Chilenische Schülerinnen und Schüler besuchen danach Jena.

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Evangelische Schulen und religiöse Bildung in der Weltgesellschaft, Prof. Dr. Martin Schreiner – Tagungsrückblick (PDF)

Rückblick auf die Barbara-Schadeberg-Vorlesungen 2013

Unter Beteiligung von ca. 100 Hörern fanden am 29. und 30. Oktober die Barbara-Schadeberg-Vorlesungen 2013 mit dem Thema „Evangelisch Profil zeigen im religiösen Wandel unserer Zeit. Impulse für das protestantische Bildungsverständnis“ statt.

Prof. Dr. Gert Pickel unternahm in dem ersten Hauptvortrag am 29.10. eine luzide religionssoziologische Bestandsaufnahme der Situation von Religion und Religiosität im vereinigten Deutschland. Seine erkenntnisleitende Fragestellung lautete „Rückkehr des Religiösen oder voranschreitende Säkularisierung?“ Er thematisierte die Situation in dem von einer „Kultur der Konfessionsmitgliedschaft“ geprägten Westdeutschland und in dem von einer „Kultur der Konfessions- wenn nicht Religionslosigkeit“ geprägten Ostdeutschland sowie die sich in den letzten Jahren verstärkenden Phänomene „Traditionsabbruch“, „Entkirchlichung“, „religiöse Individualisierung“ und „Pluralisierung“. Eindrucksvoll belegte er mit Verweis auf zahlreiche empirische Untersuchungen den sich aufgrund der Transformation der religiösen Landschaft vollziehenden Wandel. Er prognostizierte, dass in Deutschland eine zunehmende Säkularisierung und eine zunehmende religiöse Pluralisierung stattfinden werde. „Dass dabei in Westdeutschland immer noch ein nicht zu unterschätzendes Ausmaß an religiöser Verankerung, im Sinne tradierter Beziehungen zu Religion, vorliegt und in Ostdeutschland Kirchlichkeit ein klares Randphänomen darstellt, tut aber einer gleichläufigen Entwicklung keinen Abbruch. Gerade die Prozesse der Säkularisierung fördern dabei noch eine Zunahme des Diskurses um und über Religion.“ Eine spannende Frage ist die nach einer bottom line religiöser Vitalität: Ist die untere Fallgrenze religiöser Vitalität in Ostdeutschland schon erreicht? Was wird sich darauf folgend entwickeln? Besonders im Gedächtnis geblieben sind das Stichwort „sozialer Bedeutungsverlust“ und der Hinweis auf die sogenannte „Schweigespirale“. Hilfreich war auch die Definition von Religiösität, nach der es um das Verhältnis von religiöser Frage und religiöser Antwort geht.

Im zweiten Hauptvortrag beleuchtete Prof. Dr. Michael Domsgen Möglichkeiten, den Herausforderungen der Konfessionslosigkeit und der kontinuierlichen Abnahme der Konfessionszugehörigkeit zu begegnen. Er ging dabei von zwei Grundentscheidungen aus. 1. Dem Kontext von mehrheitlicher Konfessionslosigkeit kommt eine grundlegende Bedeutung für Religion zu. 2. Religiöse Bildung als Ziel religionspädagogischer Reflexionen und Bemühungen ist nicht nur für Menschen von Bedeutung, die sich selbst als religiös einschätzen oder Angebote religiöser Bildung wie beispielsweise den schulischen Religionsunterricht nutzen. Menschen können auch dann von religiöser Bildung profitieren, wenn sie diese Art der Selbst- und Lebensdeutung für sich selber nicht annehmen wollen. 

Er ging von fünf Leitgedanken religiösen Lehrens als strukturiertem und umfassenden Angebot an die Lernenden aus: 1. Sensibilisieren und plausibilisieren. 2. Unterschiede zwischen religiösen und nicht-religiösen Deutungsmustern fruchtbar machen. 3. Ergebnisoffen kommunizieren und so Verstehen fördern. 4. Mitteilen und darstellen. 5. Über das gemeinsame Tun Bildungsprozesse anregen. Die große Chance evangelischer Schulen sieht Domsgen darin, Erfahrungs- und Erprobungsräume evangelischer Erziehungs- und Bildungsverantwortung zu sein.

Nach einem heiteren Rundgang auf Luthers Spuren durch das Augustinerkloster am 30.10. entfaltete Prof. Dr. Andrea Schulte eindrücklich die Chancen evangelischer Schulen in religiös indifferenten Kontexten. Sie benannte als günstige Bedingungsfaktoren profilbildender Arbeit evangelischer Schulen in Ostdeutschland die „Unselbstverständlichkeit“ und „Konkurrenzlosigkeit“ christlicher Religion sowie die intellektuelle Offenheit für religiöse Themen. Sodann markierte sie in einem äußerst erhellenden Sieben-Punkte-Programm, wie die christliche „Marke“ in religiös indifferentem Kontext zu profilieren ist: 1. Kirche macht Schule und gestaltet Bildung. 2. Bejahung religiöser Heterogenität. 3. Religiöse Bildung als selbstverständlicher Teil allgemeiner Bildung. 4. Religionssensible Begleitung. 5. Religionsunterricht als Forum einer Didaktik religiöser Kommunikation. 6. Evangelische Bildungstradition erinnern und vergegenwärtigen. 7. Religiöse Sprach- und Dialogfähigkeit der Lehrkräfte an evangelischen Schulen.

OKR´in Dr. Uta Hallwirth gab in ihrem Vortrag einen lebendigen Einblick in die Praxis evangelischer Schulen, indem sie die einzelnen Beiträge zu dem diesjährigen Barbara-Schadeberg-Preis zusammenfassend würdigte und sehr anschaulich vier verschiedene Dimensionen protestantisch geprägten Schullebens in religiös indifferenten Kontexten aufzeigte: 1. Sichtbare Zeichen setzen. 2. Religiöse Bildung stärken. 3. Religiöses Schulleben gestalten. 4. Mit zentralen Projekten ausstrahlen.

Die Barbara-Schadeberg-Vorlesungen 2013 werden von Frau Prof. Dr. Andrea Schulte, Universität Erfurt (Martin-Luther-Institut, Fachgebiet Religionspädagogik) voraussichtlich im Jahr 2014 in der Reihe „Schule in evangelischer Trägerschaft“ (Waxmann-Verlag Münster) mit Ergänzung durch weitere themenspezifische Texte veröffentlicht.

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